Es gibt manchmal diese Zufälle, die einen musikalisch völlig unerwartet packen. Vor ein paar Wochen bin ich auf YouTube über das Livekonzert „Alles kann besser werden“ von Xavier Naidoo gestolpert – und was soll ich sagen? Seitdem lässt mich diese Musik nicht mehr los.
Ich gebe es zu: Lange hatte ich Xavier Naidoo gar nicht mehr auf dem Schirm. Zu viel Negatives war in den letzten Jahren um ihn herum laut geworden. Seine Fehltritte in Interviews und Kommentare in eine Richtung, die ich persönlich schwer nachvollziehen kann. Das alles hat dazu geführt, dass seine Musik heute fast aus dem Mainstream verschwunden ist. CDs und Schallplatten? Im normalen Handel nicht mehr zu finden. Aber dann kam dieser Moment – ich hörte mir „Mut zur Veränderung“ in der Live-Version an und es hat mich sofort gepackt.
Die wohl bestklingende deutschsprachige Stimme
Was mir nach und nach bewusst wurde: Xavier Naidoo hat vermutlich eine der besten, wenn nicht die beste Gesangsstimme im deutschsprachigen Raum. Diese Soul-Tiefe, das Gefühl in jeder Zeile, die Kraft seiner Live-Performance – das ist nicht einfach nur Musik, das geht unter die Haut. Egal, wie sehr ich versuche, mich auf andere Künstler einzulassen, kaum jemand schafft es, diesen Klang, diese Wärme und dieses Gefühl so transportieren.
Besonders die Live-Versionen haben mich vollkommen abgeholt. Songs wie „Alles kann besser werden“, „Mut zur Veränderung“, „Bitte hör nicht auf zu träumen“ und „Halte durch“ bekommen in diesen Live-Interpretationen eine zusätzliche emotionale Ebene, die ich in den Studioaufnahmen so nie wahrgenommen habe. Da steht nicht nur ein Sänger auf der Bühne, da steht jemand, der seine Botschaft lebt – und spürbar weitergeben will.
Physische Musik in einer digitalen Welt (und auf dem Gebrauchtmarkt)
Weil mich die Musik so gefesselt hat, wollte ich mehr. Ich wollte alles. Also habe ich angefangen, seine Diskografie zu kaufen – als CD. Nicht, weil ich besonders oldschool bin, sondern weil mir das haptische Erlebnis von Musik etwas bedeutet. Die Cover in der Hand zu halten, das Booklet durchzublättern, die Lyrics zu lesen… das hat einfach eine andere Qualität. Und ganz ehrlich: Die CDs klingen über meinen CD-Player um Lichtjahre besser als das Streamgeplänkel. Für mich macht genau das den Unterschied.
Doch die Suche war schwieriger als gedacht. Wegen seiner öffentlichen Kontroversen (siehe unten) gibt es kaum noch Alben im Handel (Link). Also bin ich auf den Gebrauchtmarkt ausgewichen. Und das war die beste Entscheidung. Jede dieser CDs fühlt sich an wie ein kleines Fundstück, das man wieder zu schätzen weiss. Und am Ende bleibt die Musik das, was sie immer war: kraftvoll, ehrlich, emotional.
Musik, die guttut
Unabhängig von allem Drumherum – diese Lieder tun mir gut. Gerade in Zeiten, in denen die Welt mal wieder komplett irre erscheint, ist es wohltuend, sich an Musik festzuhalten, die aufbaut, Mut macht und Hoffnung schenkt. „Halte durch“ läuft bei mir gerade in Dauerschleife. Nicht, weil ich gerade schwer zu kämpfen hätte, sondern weil es einfach dieses Gefühl von „Es geht weiter“ vermittelt.
Vielleicht braucht es manchmal genau das: Einen Moment, um Musik neu zu entdecken. Unabhängig von allem, was um den Künstler herum passiert ist. Musik bleibt am Ende Musik. Und wenn sie etwas mit einem macht, wenn sie etwas in einem bewegt – dann lohnt es sich, ihr zuzuhören.
Was war eigentlich los? – Die Kontroversen um Xavier Naidoo
Xavier Naidoo stand in den letzten Jahren immer wieder in der Kritik wegen verschiedener öffentlicher Aussagen und Auftritte. Das führte dazu, dass seine Musik aus Teilen des Mainstreams verschwand. Hier ein kurzer Überblick, was passiert ist:
1. Reichsbürger-Nähe und Verschwörungstheorien
Bereits 2014 trat Naidoo bei einer Kundgebung der sogenannten „Reichsbürger“-Bewegung in Berlin auf. Dort äusserte er sich kritisch gegenüber dem deutschen Staat und bezweifelte, dass Deutschland eine echte Souveränität habe.
2. Äusserungen zu Flüchtlingen und Migration
In einem Songtext, der 2018 im Netz kursierte, sprach Naidoo von „Messermännern“ und „Geldhuren“, was viele als fremdenfeindlich und populistisch einstuften. Nach massiver Kritik verteidigte er sich mit der Aussage, es handle sich um eine Fehlinterpretation und dass er selbst als Kind einer Einwandererfamilie niemals rassistisch sei.
3. Corona-Leugnung und QAnon-Narrative
Während der Corona-Pandemie verbreitete Naidoo mehrfach Aussagen, die Verschwörungserzählungen nahekamen. Er äusserte sich (zu Recht) kritisch zu Impfungen und Massnahmen der Regierung. Ausserdem unterstützte er Narrative, die stark an die US-amerikanische QAnon-Bewegung angelehnt waren.
4. Rückzieher und Entschuldigung
Im Mai 2022 veröffentlichte Xavier Naidoo ein Video, in dem er sich für viele seiner Aussagen entschuldigte. Er sagte, dass ihn persönliche Erfahrungen und ein veränderter Blickwinkel – insbesondere die Situation in seiner Familie – zum Nachdenken gebracht hätten.
Und bevor jetzt wieder die Gutmenschen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Mir egal. Ich höre die Musik trotzdem gerne. Ich kann Unterschiede machen. Ich kann die Person und ihre Fehler sehen – und trotzdem die Musik schätzen. Ich kann verzeihen. Und für mich bleibt seine Musik einfach fantastisch.